Gisbert Haefs: Der erste Tod des Marc Aurel
⭐️⭐️❌❌❌ (2/5)
— Verwirrendes Geschwurbel im alten Rom

❌ (i) Handlung: Es ist nicht ganz einfach, die Handlung des Romans in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Es gibt viele Elemente, welche im Lauf des Buches zusammengebracht werden, und von denen sich die meisten als irrelevant erweisen, so z.B. ein Nashorn, das Schwert des Spartacus, oder ein Kormoran samt zugehörigem Besitzer; erschwert wird das Ganze dadurch, dass der Stil des Romans es den Leser:innen nicht gerade leicht macht, der Handlung zu folgen (siehe Punkt iv). Insgesamt geht es wohl um eine Verschwörung gegen den Kaiser Marcus Aurelius – oder besser gesagt um mehrere Verschwörungen, die zusammenwirken – in dessen Zentrum ein Centurio namens Pacuvius und – warum auch immer – eine Schauspielerin (‚Mime‘) namens Korinna stehen. Der Kaiser soll – das ist von Anfang an klar – beseitigt werden; die Motive der Verschwörer, welche eher unglaubwürdig wirken, und der Ablauf des (nicht gerade spannenden) Anschlags werden im Lauf der Geschichte erörtert (ja, das ist das richtige Wort dafür…).
⭐️ (ii) Setting/Background: Im Gegensatz zu vielen anderen historischen Romanen aus der Römerzeit spielt dieser nicht in der Spätphase der Republik oder der frühen Kaiserzeit, sondern während der Herrschaft Marc Aurels, des letzten der sogenannten „Five Good Emperors“, also im zweiten Jahrhundert n.Chr. Dies ist ein dankbarer Zeitraum, da das Römische Reich hier nahezu noch seine größte Ausdehnung aufweist und immer noch im Zenit seiner Macht steht. Beschrieben wird vor allem natürlich das Leben in Rom, wo der Großteil der Handlung stattfindet. Interessant sind hier vor allem die Einblicke, die man in das Alltagsleben der einfachen Leute zur damaligen Zeit bekommt.
❌ (iii) Charaktere: Es gibt zwei Hauptcharaktere, aus deren Sicht abwechselnd erzählt wird. Eine der Hauptpersonen ist Korinna, eine ehemalige griechische Sklavin, welche nun in der Schauspielertruppe ‚Mimen des Mopsos‘ (seltsame Namenswahl für einen deutschsprachigen Autor) mitwirkt. Sie versucht sich nebenbei auch als Schriftstellerin, und ist dementsprechend begeistert, wenn sie im Lauf der Handlung auf die beiden berühmten griechischen Autoren Apuleius und Lukianos trifft – so begeistert, dass sie mit letzterem mehr oder weniger sofort ins Bett steigt. Ansonsten besteht ihr Beitrag vor allem aus innerer Handlung; ob die Story mit dieser weiblichen Protagonistin den „sexy lamp test“ bestehen würde, könnte ich aber nur sagen wenn ich das Buch nochmal lesen würde, was ich mir so schnell nicht antun möchte.
Die zweite Hauptperson ist Pacuvius, ein Centurio der Prätorianer bzw. einer Art Geheimpolizei. Neben der Tatsache, dass er gern mit Korinna was anfangen würde, deckt er auch nach und nach die Verschwörung(en) gegen den Kaiser auf, bzw. wird selbst Teil davon. Es ist allerdings nicht so, dass er wie ein Agent oder Detektiv denken und handeln würde – vielmehr wird er von anderen, wie Septimus Severus (dem späteren Kaiser), seinem Freund Alcimus oder den erwähnten Schriftstellern immer wieder auf neue Erkenntnisse gestoßen oder diese retten ihn aus ausweglosen Situationen.
Beide Hauptpersonen sind, angesichts ihres Hintergrunds, erstaunlich gebildet. Vor allem bei Korinna überrascht es doch, dass eine Frau, die als Kind in die Sklaverei verkauft wurde und Missbrauch erfahren hat, die großen Werke der damaligen Literatur kennt und fortschreiben möchte – und kann.
❌ (iv) Stil & Sprache: Nach Caesar vom selben Autor hat mich dieser Roman, was den Stil angeht, sehr überrascht, und zwar leider nicht positiv. Während in Caesar die Sprache zwar altmodisch, aber doch knapp und nüchtern gehalten ist, ist Der erste Tod des Marc Aurel überladen mit innerer Handlung und schwurbeligem Gelaber. (Das lässt sich leider nicht wohlwollender formulieren.) Über weite Strecken ist das Buch damit nahezu unleserlich, und der Versuch sich durchzubeißen artet in einen ermüdenden Kampf aus, der durch die mit Nichtigkeiten überfrachtete Handlung (siehe Punkt i) noch zusätzlich erschwert wird. Von den nahezu perfekten Dialogen, wie sie in Caesar zu lesen sind, fehlt im vorliegenden Werk leider auch – bis auf wenige Ausnahmen – jede Spur; die Protagonist:innen geben geistreiche Dinge wie ‚ah‘ oder ‚ei‘ von sich, und ein echtes, die Handlung voranbringendes und vor allem aufschlussreiches Gespräch fehlt völlig.
⭐️ (v) Sonstiges: Diesem Verriss lässt sich fast nichts mehr hinzufügen. Mit viel Wohlwollen gebe ich einen Stern dafür, dass im Roman Latein (z.B. in Form eines Wortspiels mit dem Namen ‚Alcimus‘) vorkommt, was spaßig ist zu lesen. Trotzdem werde ich künftig viele, viele Seiten Leseprobe brauchen bevor ich mich wieder an ein Werk von Gisbert Haefs wage.
Zitate
Die ganze Welt verengte sich plötzlich; sie bestand nur noch aus einem unendlichen, gnadenlosen Hunger, in dem ein geringfügiger Durst um Aufmerksamkeit quäkte. Ein Hauch von Brot und eine wuchtige Ausdünstung von Würsten – wundersame Würste, beseligende Würste, Zauberwürste, umfassende Würste, olympische Würste, Lilienwürste, Thyrsoswürste, Würste wie Phalli oder Schwerter oder Lanzen oder der Stab des Aesculapius, Quellwürste, Qualwürste, Nebelwürste, Nymphenwürste, Würste wie nie zur Prägung erniedrigte Goldstangen, Lichtwürste, Loderwürste, Lockwürste, Labwürste, Lustwürste, berstende, bratende, brütende, bohrende, bittende, berückende, bereite Würste, beredte und jubelnde und in ihrer Verlassenheit jammernde Würste. Wahnwürste.
Kapitel Schwerter und Bilche
»Weißt du, wie sie mich nennen?«
»Wie denn?«
»Alter.«
»Und?«
»Na ja, ich bin dein zweiter Mann, also Der Andere. Alter, klar? Außerdem« – er gluckste – »bin ich ter al.«
»Dreimal al?« Pacuvius runzelte die Stirn. »Was soll das?«
»Alcanor Alcimus Albus.«
»Ah.«
Kapitel Nachtgeschichten