Gisbert Haefs: Caesar
⭐️⭐️⭐️⭐️❌ (4/5)
— Ein Centurio lässt sich durch das Who-is-who der römischen Republik treiben.

❌ Handlung: Der ehemalige Centurio Quintus Aurelius, der inzwischen eine Gastwirtschaft betreibt, wird von Cicero gezwungen, sich Caesar – als Koch – anzuschließen, um diesen auszuspionieren. Er reist also nach Gallien zu Caesar, verrät ihm aber seinen Auftrag und kämpft fortan für und mit ihm, zunächst bei der Niederschlagung des Gallischen Aufstandes von Vercingetorix, dann im Römischen Bürgerkrieg in Griechenland und Ägypten.
Der Autor verschenkt hier m.E. viele Möglichkeiten, da die Handlung sehr geradlinig verläuft; Politik und Intrige sind zwar präsent, spielen aber nur eine untergeordnete Rolle. Beispielsweise hat die Tatsache, dass Aurelius eigentlich von Cicero beauftragt wird, überhaupt keine Auswirkung, da er ja sofort Caesar die Treue schwört. Eine Entführung, die im Lauf der Handlung stattfindet, bringt ihn auch wieder nur zum Ort des Geschehens (also letztlich zu Caesar) zurück. Es gibt außerdem eine relativ unglaubwürdige Lovestory mit einer Frau namens Kalypso (einer Art Edel-Prostituierten), und ansonsten wird – natürlich, Aurelius ist schließlich Soldat und dient Caesar vor allem als Marschpräfekt – viel gekämpft, was für mich (viele werden das anders sehen) nicht besonders spannend ist.
Zäh wird das ganze oft dadurch, dass Aurelius nicht wirklich mit Herzblut bei der Sache ist, sondern bei Caesars Unternehmungen vor allem deswegen mitmacht, weil er wissen will ‚wie’s weiter geht‘ und sich mehr oder weniger durch die Handlung treiben lässt. Das mag sein Charakter sein, aber ist natürlich für einen Protagonisten etwas ungünstig.
⭐️ Setting/Background: Der Roman ist, wie z.B. auch die Cicero-Trilogie von Robert Harris, im 1. Jahrhundert v.Chr. kurz vor dem Ende der römischen Republik angesiedelt. Das ist eine dankbare Wahl für einen Roman aus der Römerzeit, da sich hier viele der berühmten Gestalten der Geschichte tummeln, allen voran natürlich Caesar, aber auch Cicero, Pompeius, Crassus, Cato (nicht der Karthago-Cato, aber ein Verwandter), Brutus, Marcus Antonius, Octavian, Clodius, Kleopatra, Calpurnia, Servilia usw. Das Setting bietet Stoff für Politik & Intrige (wovon wenig vorkommt) und Schlachten & Kriege (wovon viel vorkommt). Dadurch, dass Aurelius selbst ein Plebejer ist und nicht immer in den höchsten Kreisen verkehrt, lernt man auch viel über das Leben in Rom und den Alltag auf den Feldzügen.
⭐️ Charaktere: Protagonist ist Quintus Aurelius, ein zu Beginn 34-jähriger ehemaliger Centurio, der nun mit ein paar Kameraden und Sklav:innen (die er freilässt, sobald er sich Caesar anschließt) eine Gastwirtschaft betreibt. Er wirkt wie jemand, der vor allem seine Ruhe haben will, und dieses Bild wird konsequent durchgehalten. Dabei ist er trotzdem jemand, der über Geschichte, Politik usw. gerne nachdenkt, philosophiert und spricht, was dem Roman mehr Tiefgang verleiht.
Aurelius wird in der ersten Hälfte des Romans von Catullus – ja, dem Catullus – begleitet, der seine Obsession mit Lesbia überwunden hat, anscheinend an Tuberkulose o.ä. leidet (und immer mal wieder Blut hustet) und ständig betrunken ist. Später reist er meist zusammen mit Orgetorix, einem gallischen ehemaligen Stammesfürst und Kundschafter, der nicht ganz so witzig ist wie Catullus, aber trotzdem einen interessanten Charakter darstellt. Schließlich gibt es noch Kalypso, die immer mal wieder auftaucht und verschwindet; die spielt für die Handlung nur insofern eine Rolle, als dass sie für Aurelius sehr wichtig ist.
⭐️ Stil & Sprache: Der Roman ist aus der Sicht Aurelius‘ geschrieben; seine Perspektive wird nur selten verlassen. Die Sprache ist meist knapp und nüchtern, lediglich wenn der Protagonist über Kalypso (oder Kleopatra) nachdenkt artet seine innere Handlung zu etwas unangenehmer schwülstiger Schwärmerei aus. Interessant ist, dass in diesem Roman tatsächlich auch Gedanken oft in Form von wörtlicher Rede (allerdings in einfachen Anführungszeichen) wiedergegeben werden. Ein Highlight des Buches sind die Dialoge zwischen Aurelius und anderen Protagonist:innen; vor allem die Gespräche mit Catullus sind unglaublich humorvoll und lustig.
⭐️ Sonstiges: Zwischen den Kapiteln die die eigentliche Handlung um Aurelius erzählen gibt es jeweils sogenannte ‚Chronik‘-Kapitel, in denen offensichtlich Kalypso für ominöse ‚Herren der Berge und Steppen‘ Elemente aus der römischen Geschichte auf humorig-lehrbuchhafte Weise erzählt. Es geht dabei um Marius & Sulla, Pompeius, Crassus, Cato, Cicero und Brutus, womit die Leser:innen an die Haupthandlung herangeführt werden. Diese Kapitel bilden somit eine Art „Buch im Buch“, und sind sehr gut geeignet um die Kenntnisse über die römische Geschichte aufzufrischen.
Zitate
„Ränke?“ Cicero wackelte mit dem Kopf. Endlich ließ auch er sich auf dem Schemel nieder. „Die Väter des Vaterlandes geben sich nicht mit Ränken ab.“
Kapitel I: Tusculanische Geschäfte
„Wann habt ihr damit aufgehört?“ Aurelius bemühte sich nicht, den Spott zu unterdrücken. „Gab es gestern einen Senatsbeschluß hierzu? Ist er endgültig?“
Wie auch immer – Marius soll die Provinz von Räuberbanden gesäubert haben; Hispanien war nämlich damals ein barbarisches Land, wo Räuberei als edles Handwerk galt statt, wie in Rom, als Inbegriff der Staatskunst und Hauptziel der Verwaltung.
Chronik 2: Marius